TEXT VON MICHAEL BIBERSTEIN

himmel altar
Sicht auf die Malerei im Modell


Die Kirche Santa Isabel in der Pfarrei von Lapa in Lissabon ist wie ein Edelstein, der im Dunkeln verborgen liegt, versteckt unter einer unscheinbaren, dunkelgrauen Decke. Das Licht, welches durch die Fenster dringt, wird praktisch vollständig absorbiert durch die matte, fast schwarze Decke, die optisch eine schwere Last auf den Raum legt und so verhindert, dass die beabsichtigte Weite nicht atmen und sich nicht entwickeln kann.

Der erste Eindruck hinterlässt auf den Besucher einen depressiven Eindruck – mit Sicherheit gerade das Gegenteil von dem, was beabsichtigt war und beabsichtigt ist. Alles im Raum ist dahin ausgelegt, das Gefühl des aufwärts Strebens zu vermitteln. Getreu den Regeln des Alberti (Leon Battista Alberti, De re aedificatoria, Florenz 1404-1472) sind architektonische Elemente im unteren Bereich schwerer und dunkler als Elemente im oberen Bereich, wo sich die Fenster finden. Die Nähe dieser Fenster unterhalb des Gewölbes, zusammen mit der Anordnung der reflektierenden Paneele direct unter diesen Fenstern, lassen keine Zweifel zu, dass die Decke als Weiterführung der Bewegung ins Licht gedacht war, einer Helligkeit der Decke, die das Licht nicht nur reflektieren, sondern es gleichmässig im untern Teil verteilen sollte.

Mein Ziel ist es, diese erdrückende graue Decke durch einen offenen Himmel zu ersetzen, entsprechend der ursprünglichen architektonischen Absicht.
Der Raum wird dadurch sehr viel warmer und lebendiger, dadurch sehr viel einladender, um darin zu meditieren. Statt der gegenwärtig kalten und bedrückenden Decke wird eine freudvolle Öffnung zu Himmel und Kosmos entstehen. Die Deckenkolorierung wird die Farben der Wände widerspiegeln und ergänzen, sie wird den Verlauf von kälteren zu wärmeren Farben fortsetzen, vielleicht mit einer überraschenden Wendung zurück ins Indigo Blau als Eintauchen in den Kosmos.

Warum gerade ich ? Was bringt mich auf den Gedanken, dass ich die richtige Person bin ?

Bevor ich dem Ruf folgte, Kunstschaffender zu werden, studierte ich Kunstgeschichte mit einem Schwergewicht auf frühchristlicher und romanischer Kirchenarchitektur und einem andern auf Barockmalerei, vor allem Giovanni Battista Tiepolo.
- Ersterer schenkte mir eine nachhaltige Liebe für sakrale Räume, welche eines meiner drei Hauptanliegen in meiner Arbeit als Photograph beinhaltet – die andern zwei sind Landschaften und speziell Wolkenbilder.
- Der andere Schwerpunkt: Tiepolo, der grossartige Maler von Decken, der zur Zeit des Baus von Santa Isabel gelebt hat und der die letzten Jahre seines Lebens in Madrid am Hof Karl III von 1761 bis zu seinem Tod 1770 verbracht hat. Vermutlich besuchte er Lissabon während dieser Jahre und hat so möglicherweise die kurz vorher fertig errichtete Santa Isabel gesehen. Sie wurde im damals aufkommenden Stil erbaut, einem relativ ruhigen und bewusst minder bewertendem Klassizismus, der dem überschwaÅNnglichem, exzessiven Spätbarock folgte.
Ich denke, diese Studien haben mir das Verständnis für die vorliegende Architektur gegeben. Praktisch gesehen ist die Absicht meiner Malerei von Beginn weg - über vierzig Jahre – den Betrachter in die Stimmungslage des entspannenden Nachsinnens zu versetzen. Ich bin in der glücklichen Lage auf Grund vielfältiger, über die Jahr erhaltenen Rückmeldungen sagen zu können, dass mir dies gelungen ist. Obwohl ich noch nie irgendetwas dieser Grösse geschaffen habe, hat mich mein Hang zu grossformatigen Arbeiten bis zu einer von 3x21 Metern veranlasst. Bis jetzt habe ich nur eine Deckenmalerei ausgeführt, eine kleine, ca. vier mal sechs Meter, in einem Schloss in der Schweiz. Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass meine Maltechnik - vielfacher Auftrag dünner Schichten – ideal für die Bedingungen in der Kirche Santa Isabel ist.

Aus philosophischer Sicht ist es zutreffend, dass ich ein Agnostiker bin, nicht ein Katholik. Kein Atheist, aber ein Agnostiker. Auch halte ich mich für eine tief spirituelle Person und finde darin keinen Widerspruch. Die sakralen Räume, die ich weltweit gesehen habe, vermittelten mir tiefen Respekt für das menschliche Bedürfnis für Räume, die in uns Friedfertigkeit und einen Sinn für dynamische Spiritualität erzeugen. Diese Spiritualität ist notwendig, unsere Gedanken vom Alltagsgeschehen zu den höheren Werten zu lenken, die uns als human auszeichnen. Es wäre mir eine grosse Ehre und Freude zur Ergänzung dieses sakralen Raumes - nach mehr als 250 Jahren - beizutragen.

Michael Biberstein, April 2010